Rund 10 Jahre nach der ersten Gesundheitskompetenz-Studie im Jahr 2011, an der Österreich als eines von 8 EU-Ländern teilnahm, stehen nun die Ergebnisse der 2. Europäischen Gesundheitskompetenz-Erhebung zur Verfügung. Im Rahmen der repräsentativen, europaweiten Studie (HLS19: Health Literacy Study), einem Projekt des WHO Action Networks on Measuring Population and Organizational Health Literacy (M‑POHL), wurden die Erfahrungen von 42.445 Personen aus 17 verschiedenen Nationen evaluiert und dokumentiert. Gegenstand der aktuellen empirischen Studie war neben der Erhebung der allgemeinen Gesundheitskompetenz in den teilnehmenden Ländern die Analyse ganz spezifischer Kompetenzen wie etwa digitale Gesundheitskompetenz, Navigationskompetenz im Gesundheitssystem, kommunikative Gesundheitskompetenz im Zusammenhang mit Arztgesprächen und Gesundheitskompetenz in Bezug auf Impfentscheidungen.
Das Fazit der internationalen Studie fiel eindeutig aus: für viele Menschen gestaltet es sich zusehends schwierig, sich aufgrund der Vielfalt an unterschiedlichen Gesundheitsinformationen im Gesundheitssystem zurechtzufinden. Besondere Herausforderungen bestehen in erster Linie darin, unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten zu beurteilen, Medieninformationen zur Prävention von Krankheiten zu nutzen und Informationen, beispielsweise zum Umgang mit psychischen Problemen, zu finden.
Gesundheitskompetenz umfasst das Wissen, die Motivationen und die Kompetenzen von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form zu identifizieren, zu verstehen, zu beurteilen und im Alltag umzusetzen, um in den Bereichen Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention und -bewältigung Entscheidungen treffen zu können, die die eigene Gesundheit und Lebensqualität erhalten bzw. verbessern.
Das Ziel des europaweiten Health Literacy Survey (HLS19) ist eine möglichst standardisierte international vergleichende Erhebung der Gesundheitskompetenz (GK) innerhalb der Bevölkerung. Wiederholte systematische Erhebungen können Aufschlüsse darüber liefern, wie sich die GK der Bevölkerung eines Landes verändert hat und Anknüpfungspunkte für künftige nationale Maßnahmen zu deren Verbesserung darstellen. Mittels der aktuell erhobenen Daten sollen zudem Basisdaten für eine periodisch wiederkehrende internationale Erhebung generiert werden.
Die bis dato letzte Erhebung zur Gesundheitskompetenz der österreichischen Bevölkerung fand vor rund zehn Jahren statt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass Österreich hinsichtlich GK im internationalen Vergleich deutlichen Nachholbedarf aufweist.
Im Rahmen der repräsentativen österreichischen GK-Erhebung (HLS19-AT), als Teil des internationalen HLS19, wurden 2020 3.000 erwachsene Personen (ab 18 Jahren) telefonisch befragt.
In Auftrag gegeben bzw. finanziert wurde der HLS19-AT von der österreichischen Bundesgesundheitsagentur und dem Dachverband der Sozialversicherungsträger.
Obwohl die Ergebnisse der beiden Erhebungen (2011 und 2021) aufgrund von Veränderungen in der Erhebungsmethodik nicht unmittelbar miteinander vergleichbar sind, kann ein näherungsweiser Vergleich abgeleitet werden. Es wurden Verbesserungen in der selbsteingeschätzten allgemeinen Gesundheitskompetenz, im Informationsmanagement im Bereich Gesundheitsförderung sowie beim Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen festgestellt. Herausforderungen und Aufholbedarf bestehen aber weiterhin im Hinblick auf Informationen zu Therapien und Behandlungen, bei Informationen zum Umgang mit psychischen Problemen, beim Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen sowie bei Informationen zum Thema Prävention.
Im Vergleich zur allgemeinen GK lässt sich ableiten, dass die größten Herausforderungen im Bereich der Navigationskompetenz/Orientierung im Gesundheitssystem und bei der digitalen Gesundheitskompetenz/dem Umgang mit Onlineinformationen bestehen. Auch im Hinblick auf Impfinformationen fällt die Kompetenz der Bevölkerung geringer aus. es konnte der Zusammenhang festgestellt werden, dass sich die Gesundheitskompetenz auch auf das Impfverhalten der Bevölkerung auswirkt. In diesem spezifischen Zusammenhang gaben 20% an, Schwierigkeiten zu haben, beispielsweise zu beurteilen, welche Impfungen sinnvoll und notwendig sind, 18% haben Schwierigkeiten valide Informationen über Impfungen zu finden.
42,5% nutzen das Internet und soziale Medien, um sich über medizinische und gesundheitliche Themen zu informieren, hingegen suchen 37% Unterstützung bei Ärzt:innen bzw. anderen Gesundheitsberufen. Das unmittelbare persönliche soziale Umfeld, schriftliche Unterlagen und andere Informationsquellen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Am häufigsten (76%) werden Internetseiten als digitale Ressourcen genutzt, deutlich seltener (25%) werden digitale Möglichkeiten, wie etwa die Interaktion mit Gesundheitsdienstleistern in Anspruch genommen.
Der HLS19-AT hat nachgewiesen, dass Menschen mit einem niedrigeren Bildungsniveau (max. Pflichtschulabschluss) sowie Menschen in finanziell herausfordernden Situationen eine geringere selbsteingeschätzte GK als der Durchschnitt der Bevölkerung aufweisen. Im Hinblick auf die GK der österreichischen Bevölkerung konnte zudem ein Zusammenhang zwischen der individuellen Gesundheit, dem Gesundheitsverhalten und der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems festgestellt werden. Menschen mit einer geringen allgemeinen GK weisen ein nachteiligeres Bewegungs- und Ernährungsverhalten sowie einen höheren BMI auf, kommen weniger gut mit chronischen Erkrankungen zurecht, nehmen das Gesundheitssystem stärker in Anspruch und sind mehr Tage im Krankenstand.
Zuverlässige Gesundheitsinformation gestalten und zur Verfügung stellen
Digitale Gesundheitskompetenz stärken
Kommunikative Gesundheitskompetenz im Gesundheitssystem stärken
Navigation im Gesundheitssystem erleichtern
Gesundheitskompetenz hinsichtlich Impfungen stärken
Übergreifende Empfehlungen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz
Aktuell arbeiten österreichweit rund 70 Organisationen sektoren- und disziplinenübergreifend gemeinsam an der Verbesserung der nationalen Gesundheitskompetenz, um neben der Stärkung des Gesundheitsbewusstseins auch eine gesundheitliche Chancengerechtigkeit innerhalb der österreichischen Bevölkerung zu erreichen. Koordinierungsstelle ist die Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK).
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