Pflegekräfte tragen den Großteil der Arbeitslast im Gesundheitswesen. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Situation der professionellen Pflege in Österreich massiv zugespitzt und das heimische Gesundheitssystem nicht nur an seine organisatorischen, sondern vor allem an seine personellen Grenzen gedrängt. Bis zum Jahr 2030 fehlen österreichweit rund 100.000 zusätzliche Fachkräfte im Pflege- und Sozialbereich und stellen die nationale Gesundheitsversorgung vor große Herausforderungen.
Um dem akuten Pflegkräfte-Mangel entgegenzuwirken, werden Forderungen nach nachhaltigen Lösungen und flächendeckenden Versorgungskonzepten laut, die das österreichische Pflegsystem langfristig sanieren und die Rahmenbedingungen deutlich verbessern. Interessensvertretungen der Pflegkräfte, wie etwa der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) oder das Hilfswerk sehen den dringendsten Handlungsbedarf vor allem im Bereich der Ausbildung. Sie plädieren daher für einen zügigen Start einer umfassenden Ausbildungsoffensive, aber auch für mehr Unterstützung von pflegenden Angehörigen, einer Aufwertung von Pflegeberufen im Hinblick auf Bezahlung und öffentliche Anerkennung sowie für mehr Investitionen in Berufsumsteiger.
Ähnliche Forderungen werden an beiden Enden des politischen Spektrums artikuliert. Im Mittelpunkt stehen dabei insbesondere eine faire Entlohnung, flexible, langfristig lebbare Arbeitszeitmodelle und Maßnahmen wie etwa ein Fachkräftestipendium bzw. die Möglichkeit der Schwerarbeitspension für Pflegekräfte.
Welche Pflegeberufe es in Österreich gibt, welche Gründe sich für den Pflegkräfte-Mangel lokalisieren lassen und welche Lösungsansätze es gibt, diesem Mangel entgegenzuwirken, erfahren Sie nachstehend.
In Österreich gibt es nicht nur vielfältige Berufsbilder und Ausbildungsmöglichkeiten für Pflegekräfte, auch die Einsatzbereiche/-gebiete erstrecken sich über ein breites Spektrum an Möglichkeiten. So können Pflegekräfte etwa neben der privaten Kranken- und Altenpflege auch in Einrichtungen wie Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, in Lebenswelten für Menschen mit Beeinträchtigungen, Therapiestationen für Drogenkranke, in Hospizen, Kureinrichtungen oder Pflegeakademien arbeiten.
Demographische, epidemiologische, versorgungsstrukturelle und ökonomische Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft verändern die Dynamik in der Gesundheitsversorgung und stellen das Gesundheitssystem sowie das Sozialwesen kontinuierlich vor wachsende Herausforderungen. Besonders betroffen ist der Bereich der Pflege.
Bis zum Jahr 2030 wird die Anzahl der über 85-Jährigen in Österreich um rund 45 Prozent auf 327.000 Menschen ansteigen. Parallel dazu sinkt der prozentuelle Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung (20 bis unter 65-jährige) von rund 62 auf 57 Prozent. Der kontinuierlich steigenden Anzahl von Pflegebedürftigen stehen künftig immer weniger jüngere Menschen für potentielle Ausbildungen im Bereich der Pflege und Betreuung gegenüber. Aktuell wird der Mangel an Pflegekräften vor allem durch den Einsatz von qualifizierten ausländischen Fachkräften (überwiegend aus Tschechien und der Slowakei) kompensiert, diese werden zumeist jedoch als Leiharbeitskräfte beschäftigt sind und erhalten eine verhältnismäßig geringe Entlohnung (rund 1.400 € inkl. Überstunden).
Die Pflegekräfte-Situation wird sich mittel- bis langfristig weiter zuspitzen, da nicht nur rund ein Drittel des Pflegepersonals über 50 Jahre alt ist und von Pensionierungen betroffen sein wird, sondern auch weil es dem Ausbildungssektor nicht mehr möglich sein wird, das notwendige Pflegekräfte-Personal bereitzustellen.
Die Gründe für den Rückgang im Pflegekräfte-Sektor sind vielfältig. Neben der demographischen Entwicklung (steigende Anzahl alter Menschen) kristallisieren sich weitere Trends, wie etwa der medizintechnische Fortschritt (Anstieg von medizinischen Interventionen/lebensverlängernden Maßnahmen) oder der Ausbau des Gesundheits-und Wellnesssektors (Gefahr, dass qualifiziertes Personal aus dem Langzeitpflegebereich „abwandern“ könnte) bzw. aus aktuellem Anlass (Pandemie) ein verstärktes Krisenbewusstsein des Pflegepersonals (das Wissen um die strukturellen Unzulänglichkeiten bei Krisensituationen) heraus.
Die Gründe, warum der Bedarf an Pflegefachkräftepersonal nur unzureichend gedeckt werden kann, umfassen ein breites Spektrum. Sie reichen von einer ausbaufähigen Rekrutierung von zukünftigem Pflegepersonal (Mangel an Interessensweckung bei jungen Menschen) über die Ausgestaltung der strukturellen Arbeitsbedingungen bis hin zu einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Berufsfeld/kurze Berufsverweildauer (Burnout etc.).
Um dem steigenden Bedarf im Pflegebereich künftig gerecht werden zu können, wird es unerlässlich, strukturelle Maßnahmen umzusetzen.
Die Sicherstellung einer modernen Pflegeversorgung ist künftig eine der ganz zentralen Herausforderungen in der heimischen Gesundheitsversorgung. Es ist daher wichtig, nicht nur eine nachhaltige Ausbildungsoffensive aufzurollen, sondern auch mehr Unterstützung für pflegende Angehörige (aktuell werden über eine halbe Million Menschen gepflegt, rund 80 Prozent werden zuhause versorgt, 20 Prozent in Pflegeheimen) sicherzustellen, das Berufsfeld an sich aufzuwerten (erleichterte Arbeitsbedingungen, etwa durch technische Unterstützung oder den Einsatz von Pflegeteams bzw. durch bessere Entlohnung oder mehr öffentlicher Anerkennung) und in Berufsumsteiger investieren.
Um dem künftigen Pflegenotstand in Österreich entgegenzuwirken stand bereits 2021 eine von Sozial- und Betreuungsorganisationen (z.B.: Caritas, Diakonie, Volkshilfe, Rotes Kreuz, Bundesverband der Pflegeheime) dringend geforderte Pflegereform im Raum. Die regierungsseitig für Herbst 2021 angekündigte Reform wurde jedoch aufgrund politischer Umstrukturierungen und nicht zu Letzt aufgrund der Corona-Pandemie auf das Frühjahr 2022 verschoben und schließlich im Juli beschlossen. Erste Maßnahmen starten zum Jahreswechsel 2022/2023, andere sollen stufenweise bis 2025 umgesetzt werden.
Die aktuelle Pflegereform umfasst insgesamt 20 Maßnahmen, die in drei Leistungsbereiche (Betroffene und deren pflegende Angehörige, Ausbildung und Qualifizierung in der Pflege, Arbeit in der Pflege) gegliedert sind und ein Volumen von 1 Mrd. Euro bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode vorsehen.
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